Momentum – oder: Wie man dem Prokrastinieren ein (zwischenzeitliches) Ende setzt

Eigentlich ironisch, dass dieser Beitrag der erste nach lächerlichen knappen vier Jahren ist. Aber was soll ich sagen? Ich war beschäftigt. Oft mit dem Aufschieben von Ideen, Projekten, Dingen. Allem. Nun ist es jedoch wieder soweit. Ich friste ein Dasein im Krankenstand und eben jetzt hat mich der keimende Lagerkoller soweit gebracht, dass ich meinen Blog wieder entstaube. Und bei alldem seid ihr live dabei. Toll, oder?

Nein, ich würde mich wirklich nicht als fleißigen Menschen bezeichnen. Leute, die mich flüchtig kennen, überrascht das vielleicht; immerhin habe ich einen Vollzeit-Job, fotografiere, lege nebenberuflich auf und unterstütze noch ab und an im heimatlichen Musikverein (Anm.: liebe Grüße an dieser Stelle). Aber mit echtem Fleiß hat das nichts zu tun. Fleißige Menschen tun nämlich etwas, das ich gerne könnte: Und zwar stellen sie Aufgaben oder Tätigkeiten, deren nicht-Erledigung nicht direkt sanktioniert werden, über ihre Gemütslage. Das bedarf permanenter, starker Willenskraft. Fleißige Menschen beschäftigen sich nicht mit Gründen, etwas nicht zu tun. Sie tun es einfach, auch wenn es ihnen in dem Moment keine Freude bereitet oder auch keine unmittelbare Belohnung in Aussicht steht. Das hat mir stets imponiert.

Es gibt also Tage oder auch Wochen, da fällt es mir richtig schwer – wie man so schön sagt – „aus dem Arsch zu kommen“ und Sachen, die über das notwendige Mindestmaß hinausgehen, zu erledigen. Denn: Niemand wartet vor meiner Türe mit einem Prügel in der Hand und droht mich zu erschlagen, falls ich diese Sachen oder Aufgaben nicht erledige (oder: „when adulting gets really annoying“). Indes werde ich es indirekt spüren, wenn ich sie nicht erledige. Konsequenzen könnten im Fall von nicht gemachtem Sport oder schlechter Ernährung mangeldes Wohlbefinden, im Fall von Projekten bspw. Stress sein. Idealerweise vermengt sich diese aktionslose Lethargie häufig noch mit Grübeln und dem darüber Nachdenken, welche Dinge man alle angehen sollte. Ist dieser Punkt erst erreicht, fällt alles richtig schwer und wird erst einmal verworfen, weil die schiere Menge an Aufgaben einfach überwältigend scheint. Die Krux dabei: Es wird von alleine nicht (oder nur sehr selten) besser. Es ist das Gegenteil ist der Fall. Ich denke, gerade kreative Menschen und Freiberufler kennen dieses Gefühl häufig noch etwas besser als Angestellte.

Momentum

Ich glaube nicht an viele Dinge, aber ich habe für mich gelernt, dass Momentum „ein“ (wenn nicht sogar „DAS“) Ding ist, das einem im Leben voranbringt. Solange man Dinge macht, „läuft es“. Aktion erzwingt Reaktion erzwingt Aktion. Ich stelle mir das immer wie eine riesige Felskugel vor. Solange sie rollt, reicht ein leichter Schubs um sie in Bewegung zu halten. Aber wehe, die Kugel kommt zum Erliegen. Es bedarf dann fast unnatürlicher (Überwindungs-)Kraft, um sie wieder in Bewegung zu setzen (ja, es wird jetzt fast physikalisch). Der Tipp wäre also an dieser Stelle: Nur nicht runter vom Gas. Dass das nicht dauerhaft klappt, und eigentlich sogar ein sehr schlechter Tipp ist, wissen Leute mit ein paar Jahren Lebenserfahrung aber.

Was also tun, wenn die rollende Kugel des Momentum langsam zur am Boden liegenden DOKA-Platte der Prokrastination verkommt?

Ich habe vorhin geschrieben, dass es alleine „nur sehr selten besser“ wird. Und dem ist auch so. Das bedeutet, wenn schon von einem selbst aus nix geht, bedarf es zumindest erhöhter Aufmerksamkeit, um „Momentum-Auslöser“ in seiner Umwelt auszumachen. Für mich kann das bereits gutes Wetter sein, der Anruf einer Freundin/eines Freundes, die Einladung zu einem Spaziergang. Es ist dabei überhaupt nicht wichtig, was man tut. Anm.: Einen über den Durst trinken ist – vielleicht verwunderlich – hier jedoch selten eine gute Idee. Aber grundsätzlich sind all das kleine Schubser, die dabei helfen, den inneren Fels wieder ins Rollen zu bringen. Und diese Schubser muss man wittern und dankend mitnehmen. Denn der nächste Schritt wird – und das kann ich versprechen – deutlich leichter fallen. Es geht also quasi darum, eine Ausrede dafür zu finden, nicht nichts zu machen.

Ich möchte auf keinen Fall dein Eindruck vermitteln, dass es leicht wäre, aus einem Loch zu steigen. Ich möchte aber sagen, dass es Momente gibt, an denen man sich hochziehen kann. Und das bloße Bewusstsein dafür ist schon sehr ermächtigend, finde ich.

In einem Interview (okay, ehrlicherweise wars ein TikTok – aber das möchte ich lieber nicht zugeben) habe ich kürzlich gehört: „The most unhappy people […] are extremely ambitious, lazy people“. Irgendwie fühle ich mich von diesem Sager abgeholt.

Prokrastinieren (Nichtstun), Nachdenken und Alleinsein sind wichtig und auch Teil kreativer Prozesse. Aber ich weiß auch, dass diese Dinge mich auf Dauer und in der Masse unglücklich machen. Und vielleicht geht es ja auch dir, als Leser:in dieser Zeilen, so. Also halten wir doch die Augen für Momentum-Auslöser offen und machen öfter mal: irgendwas. Um dem Prokastinieren ein (zwischenzeitliches) Ende zu setzen.

Alles Liebe.

Nachwort: Der Text richtet sich an Kreative, Freischaffende und Selbstständige. Und nicht einmal hier weiß ich, ob er irgendjemandem nützt. Im schlechtesten Fall beweist er aber zumindest, dass ich wirklich nicht fleißig bin, nachdem ich mir solche Gedanken mache und sie auch noch zu Bildschirm bringe.